September 21

Powergaming, Würfel-Apps & beschissene Settings – 11 Fragen zum Rollenspiel

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Als aller erstes muss ich wohl gestehen, dass ich keine Ahnung von der Blogger-Community habe. Das wurde mir wieder einmal schmerzhaft bewusst, als ich ein Blogstöckchen vom Pen & Paper Rollenspielblog Runway 61  zugeworfen bekam und nicht wusste, was das sein sollte. Natürlich fragte ich mich sofort, wer sich diesen nicht gerade schönen und aufs erste Hören verdammt irreführenden Namen ausgedacht hat – meine Vermutung legt nahe, dass es sich dabei um einen Kevin handeln muss. Grundsätzlich ist das Prinzip dieses Blogstöckchens ja gar nicht schlecht: Man bekommt 11 Fragen gestellt, beantwortet sie und stellt dann 11 Fragen an einen anderen Blogger. Super! Eine tolle Möglichkeit meine verstaubte Persönlichkeit in den Vordergrund zu drücken und mal ganz über mich und meine Meinung zu sprechen. Du bist gespannt? Ich auch!

I. Wie hältst du es mit dem Powergaming? Wie sehr bist du selber einer? Stört es dich, wenn es deine Mitspieler machen?

Wow, gleich am Anfang so eine Gretchenfrage. Grundsätzlich finde ich es falsch, wenn man jede Regel dreimal umdreht, nur um einen Weg zu finden, möglichst stark zu werden. Ich selbst stieß einmal in einer Schattenjäger Kampagne auf eine Kombination, die jeden Gegner, vom einfachen Ketzer bis zum höchsten Dämon, in einem Schlag pulverisieren konnte. Die Kämpfe machten daraufhin weder den anderen Spielern noch mir besonders viel Spaß. Superman wird ja auch keinen Nervenkitzel im Fight Club empfinden.

Trotzdem mache ich mir bei der Charaktererschaffung viele Gedanken, wäge Dinge ab und vergleiche bestimmte Fähigkeiten. Meistens helfe ich auch meinen Mitspielern dabei, da ich immer der größte Regelnerd am Tisch bin. Auch als Spielleiter setze ich mich einzeln mit meinen Spielern zusammen und helfe ihnen dabei, ihr Charakterkonzept mit den vorhandenen Regeln umzusetzen und gebe ihnen Tipps zur Optimierung. Meiner Meinung nach hat jeder Spieler diesen Luxus verdient, da es schnell frustrierend sein kann, einen Charakter zu spielen der effektiv gar nichts drauf hat.

Meine Antwort lautet also: Powergaming ist doof, aber Charakteroptimierung ist wichtig!


II. Es gilt einen neuen Charakter zu bauen. Unabhängig vom benutzten Regelwerk: was ist meistens dein erster Schritt? Ein Bild oder eine Skizze? Eine Vorlage aus einem Buch oder Film? Ein paar Spielwerte oder coole Kombos? Eine Rolle wie Kämpfer oder Heiler?

Das ist meistens so eine Sache des Bauchgefühls. Grundsätzlich haben aber viele meiner Charaktere gemeinsam, dass sie einen hohen Charisma-Wert haben, da ich es meist bin, der die (teils unbeliebte) Rolle des Gruppenredners übernimmt, wenn es darum geht einen NPC zu überzeugen oder ihm gezielt Fragen zu stellen.

Eine andere Gemeinsamkeit, die fast alle meine Charaktere teilen, sind die Wissensfertigkeiten. Ich mag es einfach, wenn mein SC ein bisschen Ahnung von allem hat. Was bringt es schon, wenn man sich als Spieler im Setting gut auskennt, aber der Charakter noch nicht einmal Grundkenntnisse besitzt (Spielerwissen ist nicht gleich Charakterwissen).

Grundsätzlich ist dies wohl der rote Faden, der sich durch meine SCs zieht. Ab und zu kämpfe ich aber auch bewusst gegen diese Rolle an, zum Beispiel mit meinem grimmigen WH40k Inquisitor, der nicht die Bohne charismatisch oder belesen ist.


III. Wer war bis jetzt dein spannendster Gegner im Rollenspiel und warum?

Dieser Platz geht definitiv an Erasmus Haarlock – ein Antagonist aus der der Kampagne Haarlocks Vermächtnis aus der ersten Edition von Schattenjäger (WH40k). Im Laufe der Abenteuer erfährt man immer mehr über seine Motivation und seine Vergangenheit. Diese Erkenntnisse, die mehr zwischen den Zeilen zu finden sind, als einem aktiv aufs Auge gedrückt zu werden, machen ihn menschlich – fast kann man ihn sogar verstehen – doch trotzdem bleibt der Name Haarlock ein Inbegriff von Angst, Terror und einer bevorstehenden Bedrohung.

Leider wird die Kampagne im dritten Band der Reihe zu einem eher unbefriedigenden Ende gebracht. Zu viele offene Fragen, zu viel Interpretationsspielraum. Nur ein Spielleiter, der sich die Zeit nimmt (und das ist wirklich viel Zeit) um die nachfolgenden Abenteuer auf die Kampagne abzustimmen und den roten Faden weiterzuführen, kann dieses Desaster noch retten.

Fazit: Haarlock ist ein wirklich interessanter Antagonist, aber nur durch die Arbeit des Spielleiters findet seine Geschichte einen würdigen Abschluss.


IV. Der nervigste NSC, dem du je begegnet bist?

Da muss ich nachdenken. Hm. Vielleicht der Graf, der das mit Schlafmitteln versetzte Wildbret aß, obwohl wir ihn vorher warnten? Oder der Kommandant der Stadtwache, bei dem wir von Anfang an ahnten, dass er der Böse sei, wir aber nichts tun konnten, weil ihn seine Männer beschützten? Oder doch dieser Arsch-Zwerg, der sich mit dem Ring einer lokalen Adeligen, von dem er ein Replikat anfertigen sollte, über Nacht aus dem Staub machte? Meine Rollenspiel-Todesliste ist lang … und sie wird immer länger!


V. Was war dein größter Epic Fail als Spielleiter? Falls du noch nie gleitet hast: als Spieler!

Ich erinnere mich gerne an mein erstes Mal als Spielleiter, als ich quasi den Boss, oder zumindest einen sehr wichtigen Plot-NPC auf einem Balkon eines Anwesens platzierte und vergaß, dass einer der Spieler ja ein Jetpack dabei hatte -und Spieler machen natürlich immer genau das, was sie nicht tun sollen. Ohne überhaupt das Anwesen zu betreten, flog der Spieler erstmal auf den Balkon. Da musste ich also On-the-Fly den NPC neu platzieren. Das mag für erfahrene Spielleiter jetzt nicht nach viel klingen. Aber wenn man das erste Mal leitet, dann kann das schon ein wenig stressig sein. Vor allem, wenn sonst jeder Raum im Anwesen mit etwas anderem gefüllt war.

Das mag jetzt nicht nach meinem größten Fail klingen, denn das war er auch gar nicht. Aber mein wirklich größtes Versagen möchte ich an dieser Stelle noch nicht verraten – bleibt gespannt!


VI. Deine Runde beginnt eine neue Kampagne mit einem neuen Regelwerk. Es stehen zwei Character Sheets zum Download zur Verfügung: eines wurde mit Excel erstellt und enthält außer dem Logo kein einziges grafisches Element, ist aber im Aufbau sehr durchdacht und nützlich, Das Zweite ist nicht ganz so praktisch, aber dafür sehr hübsch und passend zum Setting designed. Welches nimmst du?

Da steht bei mir ganz klar Design über Funktionalität. Der Mensch ist ein Augentier und möchte eben schöne Sachen sehen. Nach ein paar Spielrunden hat man sich dann sowieso an den Charakterbogen gewöhnt und weiß, wo was zu finden ist oder hat die meisten Werte einfach im Kopf.

Ein gutes Beispiel hierfür ist das wirklich schöne ‚Charakterheft‚ aus Legend of the five Rings. Es ist mehrere Seiten lang, regelrecht erschlagend unübersichtlich, aber trotzdem so schön gestaltet, dass ich nicht widerstehen konnte. Das ganze ist von einem Einband aus dickerem Papier eingeschlagen. So hat man wirklich das Gefühl, man halte etwas wichtiges in den Händen!


VII. Mit welchem Prominenten würdest du gerne mal in einer Runde spielen?

Ich weiß ja nicht, ob das wirklich als Prominenz durchgeht, aber es gibt da ein paar ganz sympathische You-Tuber, die bestimmt viel Spaß daran hätten. Allen voran würde ich mal direkt Gronkh nennen, der größte deutschsprachige Let’s Player. Seine Liebe zu Rollenspielen und seine erzählerische Kreativität machen ihn bestimmt zu einem guten Spieler. Würde mich nicht einmal wundern, wenn er bereits Erfahrung mit Pen and Paper hat.

Kevin: „Aber You-Tuber sind keine Prominenten, du Spast!“

Halt jetzt mal kurz die Schnauze, Kevin. You-Tuber sind dir nicht prominent genug? Dann entscheide ich mich für eine Runde Am Rande des Imperiums (Star Wars) mit Harrison Ford als Han Solo. Das klingt nicht nur wie ein feuchter Nerd-Traum, das ist einer!


VIII. Würfelapps, digitale Charactersheets, Regelbuch als .pdf und Floorplans auf dem Tablet: wieviel Computer darf es in deinem Rollenspiel sein?

Grundsätzlich benutze ich wenige elektronische Hilfsmittel für das Rollenspiel. Wenn die Spieler Apps für den Charakterbogen oder das Würfeln benutzen wollen, sollen sie das gerne tun – doch ich brauche was Hartes in der Hand.

Kevin: „Das war…“

Spar es dir Kevin. Ich weiß wie doppeldeutig das war – das nennt man unterschwelligen infantilen Humor, du Evolutionsbremse. Ein PDF-Regelwerk ist vielleicht nett, um einen ersten Eindruck zu bekommen, aber spätestens am Spieltisch artet das dann zu einer regelrechten Scroll-Orgie aus. Ich blätter eben einfach gerne. Auch wenn ich selten Bodenpläne benutze, sollten diese doch dann bitte auch physisch sein. Ich bin kein Traditionalist und ich stelle mich auch nicht gegen den Fortschritt, nur ist das eben meine Art und so fühle ich mich wohl.


IX.In einem durchschnittlichen Fäntelalter-Setting: wie religiös sind deine Charaktere üblicherweise?

Das kommt darauf an, ob die Religion einen wichtigen Teil des Charakterkonzepts ausmacht. Spiele ich einen Priester, Paladin oder etwas ähnliches geistliches, dann steht die Religion natürlich im Vordergrund.

Andere Charaktere wären zwar keine Atheisten – macht einfach keinen Sinn in einer Welt, in der die Götter ab und zu einen Spaziergang auf der Welt unternehmen – sind aber auch nicht übermäßig religiös aktiv.


X. Welches ist das deiner Meinung nach schlechteste Regelwerk, mit dem du je gespielt hast?

Es gibt nicht wirklich das eine schlechte Regelwerk, denn jedes System hat seine Stärken und Schwächen. Vom persönlichen Geschmack her, würde ich aber tatsächlich sagen, dass es sich bei dem, meiner Meinung nach, schlechtesten Regelwerk, dass ich je gespielt habe um Legend of the five Rings handelt. Das System ist so voller Crunch (auch Hard Facts, oder einfach nur Regeln genannt), dass es einen umhaut. Grundsätzlich ist nichts gegen ein paar mehr Regeln einzuwenden, doch leider bewegt sich das Setting in einem kulturellem Raum (quasi eine Art Fantasy Japan), den weder ich noch meine Gruppe richtig verstehen. Man darf ja noch nicht einmal eine Leiche untersuchen ohne gleich ein paar Ehrenpunkte einbüßen zu müssen. Da lobe ich mir das klassische 0815-Fäntelalter-Setting, wo der Spaß und nicht der kulturelle Zwang im Vordergrund steht.

Grundsätzlich ist das Regelwerk auch nicht schlecht. Es basiert auf einem Pool-System, bei dem man eine bestimmte Anzahl Würfel wirft und dann davon einige behalten darf um einen Schwierigkeitsgrad zu erreichen. Das funktioniert ähnlich wie im Rollenspiel zu Game of Thrones. Auch das Kampfsystem wartet mit verschiedenen Haltungen auf, die jeder Begegnung noch mehr taktische Tiefe verleihen können. Klingt ja alles gar nicht schlecht – ist es auch gar nicht. Jeder der Spaß mit Legend of the five Rings hat, hat auch gutes Recht dazu. Doch meiner Meinung nach (und darauf bezog sich die Frage ja) ist es das schlechteste Regelwerk, dass ich je gespielt habe.


XI. Dein Boss erfährt von deinem Hobby und fragt dich, ob er oder sie mitspielen kann. Was antwortest du?

„Bist du dir sicher?“


Wow, das waren sie also – die 11 Fragen von Runway 61. Ich hoffe, dass zwischen den zu ausführlichen Antworten und dem gelegentlichen Abschweifen meine Meinung doch noch klar genug zum Vorschein gekommen ist.

Am Ende sind wir aber immer noch nicht angekommen. Jetzt stelle ich einem anderen Blogger 11 Fragen, die er wiederum beantworten muss. Hierfür nominiere ich den lieben Sal vom Blog w6 vs. w12 und natürlich auch dich, wenn du auch Lust hast meine Fragen zu beantworten.

11 Fragen zum Rollenspiel:

  1. Welches fiktive Universum hat seine eigene Pen and Paper Umsetzung verdient?
  2. Wie verhältst du dich als Spieler: Erst draufhauen, dann Fragen stellen oder immer versuchen eine friedliche Lösung zu finden?
  3. Wie gehst du als Spielleiter mit dem Tod von Charakteren um? Lässt du sie einfach sterben, wenn sie mal einen Kampf verhauen oder versuchst du den Spielern immer die Möglichkeit zu geben, um ihre geliebten SCs zu retten?
  4. Was war die härteste Kritik, die du als Spielleiter je bekommen hast?
  5. Wie stehst du zu Solo-Runden (ein Spielleiter, ein Spieler)?
  6. Wenn du ein professionelles Game-Designer Team damit beauftragen könntest, ein Pen and Paper Rollenspiel nach deinen Vorstellungen zu entwickeln, wie würde es grob aussehen (Genre/Welt/Regeldichte/besonderer Fokus/…)?
  7. Für welches System könnte, deiner Meinung nach, gar nicht genug Material erscheinen?
  8. Wie viel von dir selbst steckte in all deinen Charakteren?
  9. Was leitest du lieber: Vorgefertigte Abenteuer oder Eigenkreationen?
  10. Wie würde deine Traum-Spielergruppe aussehen? Wo liegt ihr Fokus und wie gehen sie das Rollenspiel an?
  11. Formuliere in einem Satz: Was ist so cool an Pen and Paper?

Vielen lieben Dank, wenn du bis zu diesem Punkt gelesen hast – es war bestimmt nicht einfacher, als dieses Meinungskonvolut hier hinzuklatschen. Als ich anfing, hatte ich bereits bei der ersten Frage mehr als 600 Wörter verbraten, also fing ich erneut an und fasste mich kürzer, was in der Respektive wohl auch nur bedingt erfolgreich war. Dieser Beitrag ist doppelt so lang,wie alle davor, doch ich hoffe, dass du beim Lesen trotzdem Spaß hattest. Falls du deine Meinung zu meiner Meinung abgeben willst, kannst du dies wie immer gerne bei @questinpeace auf Twitter oder einfach unten in den Kommentaren tun.

Quest in Peace, liebe Abenteurer!

Das Beitragsbild stammt von Mark Sadowski und unterliegt einer Creative Commons Lizenz (CC BY-SA 2.0).




Veröffentlicht21. September 2016 von niniofox in Kategorie "Rollenspiel

2 COMMENTS :

  1. Pingback: Blogstöckchen Reloaded | Gelbe Zeichen

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